Es ist Samstag, der 30. Mai 2015. Ein warmer, vorsommerlicher Nachmittag im Sportpark Fautenhau in Aspach. Auf dem Platz erleben die Fans eine beinahe makellose Vorstellung ihrer SG. Der damalige spielende Co-Trainer Dennis Grab und seine Teamkollegen der zweiten Mannschaft der SG Sonnenhof Großaspach gewinnen am vorletzten Spieltag der Landesliga Staffel 1-Saison überzeugend mit 3:0 gegen den SV Fellbach. Eine Woche später bejubelt das Team den Aufstieg der zweiten Garde in die Verbandsliga. Doch für einen fühlt es sich an, als würde man die letzte Seite eines dicken Buches umblättern. Denn für Dennis Grab enden damit elf lange und erfolgreiche Jahre beim Dorfklub. Eine Zeit gekrönt von unzähligen Highlights und unvergessenen Erfolgen - aber auch schmerzhaften Rückschlägen. Ein beispielloser Kämpfer, der bei der SG Sonnenhof Großaspach von der Kreisliga bis zur Regionalliga in jeder Spielklasse am Ball war. Der zwei Meter große und heute 35-jährige ehemalige Innenverteidiger blickt zurück auf eine Zeit, die ihn mit insgesamt 269 Einsätzen im rot-schwarzen Dress nicht nur zum Akteur mit den drittmeisten Einsätzen der Vereinsgeschichte machte, sondern Grab auch verkörpern ließ, was es heißt, sich voll und ganz für einen Verein aufzuopfern.

Als gerade einmal 18-jähriger Jungspund kam der gebürtige Cannstatter von der damaligen U19 des SGV Freiberg in den Fautenhau, sollte seine ersten Erfahrungen im Herren-Fußball sammeln, wurde jedoch schnell auf den Boden der Tatsachen geholt. „Ich habe sofort gemerkt, dass der Sprung von der A-Jugend in den Erwachsenenfußball brutal war. Die Qualität im damaligen Verbandsligateam war enorm. Ich habe dann vorwiegend in der zweiten Mannschaft unter Klaus Petz gespielt, mit der wir dann von der Kreisliga in die Bezirksliga aufgestiegen sind. Ich war zwar Kaderspieler der ersten Mannschaft, habe die Trainingseinheiten mitgemacht und war auch bei den Spielen mit dabei, hatte aber so gut wie keine Einsatzzeiten.“ Keine einfache Zeit für den Abwehrhünen, der anfangs auch an sich selbst zweifelte und sich hinterfragte, ob dies überhaupt der richtige Schritt für seinen weiteren Weg sein sollte. Dennoch war Grab bereits ein Teil des Teams und verbuchte in diesem Jahr neben der Meisterschaft mit der zweiten Mannschaft somit auch den Aufstieg der damaligen Verbandsliga-Truppe in die Oberliga. „Natürlich habe ich mir damals auch Gedanken gemacht und hatte Zweifel, ob ich überhaupt verlängern und weitermachen soll. Aber ich hatte dann wirklich gute Gespräche mit den Verantwortlichen, in denen mir auch klar aufgezeigt wurde, dass man auf mich baut. Das Trainingslager im Sommer hat dann sehr viel ausgemacht, ich habe mich reingekämpft und schrittweise auch immer mehr Selbstvertrauen bekommen.“ Ein knappes Jahr musste er sich noch gedulden, ehe es in der Saison 2005/06 dann endlich soweit war. Grab entwickelte sich zum unumstrittenen Stammspieler und reifte zur festen Größe in der damaligen Oberliga-Mannschaft um Coach Herbert Bentz. Es folgten die Trainer Alexander Malchow und Markus Gisdol. Im Juni 2009 feierte Grab dann die sensationelle Meisterschaft unter dem heutigen Vitesse Arnheim- Chefcoach Thomas Letsch. „Der Aufstieg war das eine, aber zunächst hatten wir anfangs ja immer gegen den Abstieg gespielt. Wenn ich mich zurückerinnere, dass wir damals noch nach Heidenheim und Sandhausen gefahren sind - die Qualität in dieser Liga war wahnsinnig. Über die Jahre hinweg hat sich da bei uns aber echt was entwickelt und beim Aufstieg 2009 gab es dann logischerweise kein Halten mehr.“

Zur Seite stand Grab auf dem Feld unter anderem Rüdiger Rehm, heutiger Rekord-Trainer des Drittligisten SV Wehen Wiesbaden. Jener Coach, der die SG Sonnenhof Großaspach im Jahr 2014 zu einem weiteren Meilenstein der Vereinsgeschichte führte: Die Meisterschaft in der Regionalliga Südwest sowie dem kurz darauf folgenden Aufstieg in die dritthöchste deutsche Spielklasse. Maßgeblichen Anteil an der erfolgreichen Gestaltung des Aspacher Weges in diesen Folgejahren hatte? Natürlich Dennis Grab. Auch in der Regionalliga Südwest war der damals 23-Jährige nicht mehr aus dem Aspacher Gerüst wegzudenken, führte seine Mannschaft ab der Spielzeit 2012/13 sowie im DFB-Pokal-Erstrundenspiel gegen den FSV Frankfurt sogar als Kapitän aufs Feld. Ein Spiel, das der großgewachsene Defensivmann ausnahmsweise in nicht allzu guter Erinnerung hat, war er doch am Gegentreffer zum 1:2 nicht unbeteiligt. „Das war mein Ball - Punkt, aus. Ich hatte das Ding ja schon gesehen, hinter mir hörte ich von Schluchti (Ex-SG-Keeper Christopher Knett, Anm.d.Red.) nur ‚Leo‘, dann habe ich den Ball doch nicht so richtig erwischt, am Ende springt er drüber und kullert kurz darauf ins Tor. Das war natürlich extrem bitter, da wir an diesem Tag wirklich ein super Spiel an den Tag gelegt haben und die Frankfurter definitiv schlagbar waren. Das sind Momente, die verdrängt man, da es ja auch schon ein paar Jährchen her ist, aber sobald es mal wieder zur Sprache kommt, siehst du es dann direkt wieder vor dir.“

Doch auch Momente dieser Art brachten Grab und seine Mitstreiter nicht von ihrem Weg ab. Die Aspacher sorgten weiterhin für Furore und etablierten sich schließlich auch in der Regionalliga als feste Größe. Bis zum April 2013, als Dennis Grab die wohl schwierigste Entscheidung in seiner Laufbahn treffen musste. Berufsbedingt war es der Abwehrkante ab diesem Zeitpunkt nicht länger möglich, weiterhin Teil des Regionalliga-Teams zu sein - mitten im Aufstiegsrennen der SG. „Ich wusste damals schon, dass ich nach meinem Studium einen Festanstellungsvertrag bei Daimler bekommen werde. Ich hatte nach meiner Ausbildung studiert, nebenher Regionalliga-Fußball gespielt und während der Auswärtsfahrten im Bus immer für die Prüfungen gelernt. Das war ein extrem hoher Aufwand. Sicherlich hätte ich gerne auch das Kapitel 3. Liga noch in Angriff genommen, aber ich bin vom Typ her so erzogen werden, dass ich keine halben Sache mache, weshalb ich mich auch für einen langfristigen Weg ins Berufsleben entschieden habe. Anfangs hatte ich noch versucht, alles irgendwie unter einen Hut zu bekommen, dann aber schnell gemerkt, dass das kein Dauerzustand sein kann.“ Seinen letzten Einsatz für die erste Mannschaft verzeichnete der Bachelor-Absolvent unter Coach Rüdiger Rehm am 28. Spieltag der Saison 2013/14 beim 2:1-Auswärtssieg der SG bei der SpVgg Neckarelz. Denis Bindnagel hatte die Spielvereinigung in der 17. Spielminute zunächst in Führung geköpft, ehe Michael Renner in der 53. Minute und Michele Rizzi in der Nachspielzeit die Partie noch in einen Dreier zugunsten der SG ummünzten. „Da wurde ich quasi nochmal kurzfristig reaktiviert, da ich damals nach meiner Entscheidung bereits zur zweiten Mannschaft in die Verbandsliga runter bin, um dort noch bestmöglich am Ball zu bleiben. Das Spiel war brutal. Ich habe mit Martin Cimander, der zu diesem Zeitpunkt auch nicht richtig fit war, in der Innenverteidigung gespielt, Christopher Gäng hielt einen Elfmeter, Dennis Berger musste frühzeitig vom Feld, da er Vater wurde. Das kann man sich nicht vorstellen.“ Die Meisterschaft war der SG Sonnenhof Großaspach damals schon fast nicht mehr zu nehmen. Zu souverän war das Auftreten der Fautenhauer über Wochen, zu konstant die Leistungen von Spieltag zu Spieltag und zu geschlossen der Zusammenhalt innerhalb der Truppe. „Nach dem Spiel in Neckarelz war uns klar: Wenn du solche Spiele trotz dieser Umstände und mit solch einer überragenden Mannschaftsleistung am Ende noch gewinnst, dann wirst du am Ende auch Meister.“

Mit dabei war an jenem Samstagmittag auch ein gewisser Nicolas Jüllich. Kai Gehring musste damals verletzungsbedingt pausieren. Bekanntlich schnüren Jüllich und Gehring auch heute noch die Fußballschuhe für den Dorfklub, Grab hat beide Kicker nach wie vor bestens in Erinnerung. „Bei Kai Gehring weiß ich noch ganz genau, wie wir damals im Trainingslager an der Hotelbar saßen und er sich mit mir über seine Entscheidung für einen möglichen Wechsel zur SG unterhalten hatte. Der Rest ist ja bestens bekannt. Und auch Nicolas Jüllich hat sich hier von Anfang an extrem schnell akklimatisiert und zu einem echten Ausnahmespieler für die Aspacher entwickelt.“

Wenige Wochen später dann einer der größten Momente der bisherigen Vereinsgeschichte: Die Meisterschaft in der Regionalliga Südwest und die Qualifikation für die Aufstiegsspiele in die 3. Liga, in welcher die SG anschließend für sechs aufregende Jahre verweilen sollte. Für Grab hatte die Geschichte also trotz der schwierigen Umstände doch noch ein gutes Ende genommen. Die Mission war erfüllt! Trotzdem wollte er auch weiterhin - so gut es geht - ein Bestandteil der SG Sonnenhof Großaspach bleiben. „Als ich wusste, dass der Tag kommen würde und ich meine Entscheidung getroffen hatte, habe ich mir gemeinsam mit den Verantwortlichen dann natürlich Gedanken gemacht, wie es weitergehen könnte. Parallel habe ich dann abends teilweise mit der Regionalliga-Mannschaft trainiert, am Wochenende dann aber in der zweiten Mannschaft gespielt.“ Für den einen vermag es ein Mehraufwand zu sein, für Grab war es eine Selbstverständlichkeit. „Ich hatte so viel Herzblut in diesem Verein, habe im Gegenzug aber auch so viel von den Jungs zurückbekommen. Für mich war es klar, dass ich das für diesen Verein machen möchte und werde.“

Zwei Jahre lang blieb Grab also noch für die Zweitvertretung der SG am Ball, sammelte erste Erfahrungen als spielender Co-Trainer, ehe das Kapitel SG Sonnenhof Großaspach im Sommer 2015 für ihn endete – vorerst, wohlgemerkt. „Ich hatte eigentlich nie vor, den Verein zu verlassen, aber ich habe mich noch fit gefühlt, wollte Fußball spielen. Dadurch, dass damals aber die zweite Mannschaft nach der Landesliga-Meisterschaft abgemeldet wurde und die 3. Liga aus beruflicher Sicht keine Option war, kam es leider zu diesem Schritt.“ Grab schloss sich Bissingen an, spielte ein Jahr lang für den FSV 08 in der Oberliga. Im Sommer darauf gab er sein Karriereende bekannt. „Ich konnte mich und meinen Körper immer sehr gut einschätzen und habe dann einfach gemerkt, dass es für die Oberliga nicht mehr reicht. Mein Timing, mein Zweikampfverhalten, mein Kopfballspiel – alles was mich über die Jahre ausgezeichnet und stark gemacht hatte, hat dann nicht mehr so funktioniert, wie ich es wollte. Dann habe ich den Vorschlag gemacht, dass ich zur zweiten Mannschaft des FSV in die Bezirksliga gehe, die von Adam Adamos - einem super Kumpel und ehemaligen SG-Mitspieler von mir - trainiert wurde. Ich habe mich echt wohlgefühlt, wir haben den Klassenerhalt geschafft und angefangen, gemeinsam etwas aufzubauen.“ Anschließend verlängerte der zweifache Familienvater seinen Vertrag bei den Bissingern sogar nochmal, sagte dem aktiven Fußball aber Servus und verstärkte sich auf seine Rolle als Co-Trainer. Bis zuletzt, als das Corona-Virus einen Strich durch die Rechnung des Amateur- Fußballs machte.

Nach nun fast sechs Jahren SG-Abstinenz folgte vor einer Woche die Rückkehr zur SG Sonnenhof Großaspach. Als Co-Trainer von Chefcoach Walter Thomae soll Dennis Grab den Dorfklub wieder zurück in die Erfolgsspur bringen. Zum Auftakt gab es am vergangenen Samstag bereits ein 1:1 bei der TSG Balingen. Grab ist sich seiner Aufgabe sowie der damit verbundenen Verantwortung bestens bewusst. Durchlebte er mit dem Dorfklub über viele Jahre sowohl Höhen als auch Tiefen, möchte er nun selbst den SG-Spielern die Werte, die diesen Verein über all die Jahre immer ausgezeichnet haben, näherbringen und vermitteln. „Aus Sicht eines langjährigen Spielers ist es natürlich auch meine Aufgabe, den Jungs immer wieder zu verdeutlichen, dass das, was sie hier vorfinden, auf der einen Seite top professionell ist, auf der anderen Seite aber gleichzeitig auch noch immer so familiär gelebt wird wie damals. Leistungsdatenmessung und -Überwachung, Bereitstellung von Getränken und Verpflegung – das sind kleine Dinge, die es zu unserer Zeit noch nicht mal ansatzweise in dieser Form gab, aber wiederum aufzeigen, was für einen beeindruckenden Entwicklungsschritt die SG gemacht hat. Ich will versuchen, hier wieder eine gewisse Lockerheit sowie Leichtigkeit reinzubekommen. Als Spieler, der hier über Jahre hinweg selbst aktiv war, kenne ich logischerweise auch noch viele Personen wie beispielsweise Andy Jung oder Günther Ferber, die nach wie vor hier tätig sind. Dadurch habe ich direkt wieder einen Bezug, kann mich aber auch aus Sicht eines ehemaligen Spielers sehr gut in unsere Jungs hineinversetzen. Es ist wichtig, ihnen auch zu verdeutlichen, dass hier optimale Strukturen vorgefunden werden und jeder alles geben muss für diesen Verein. Mit Walter Thomae, Nils Weiler und mir haben wir meiner Meinung nach ein wirklich richtig gut aufgestelltes Trainerteam.“ Gemeinsam wollen sie dafür sorgen, dass die SG Sonnenhof Großaspach wieder zu alter Stärke zurückfindet. Dennis Grab ist sich sicher: „Letztendlich ist es für mich wie eine Heimkehr, der Kontakt ist in all den Jahren nie abgerissen. Ich hätte das auch für keinen anderen Verein gemacht und auch wenn es schnell als solche betitelt wird: Für mich ist das hier durch und durch eine Herzensangelegenheit.“

Lieber Dennis, wir sind froh, dass du endlich wieder zuhause bist!

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